RCB in der Bundesliga!

Bereits 2018 hatte der RCB mit Frederik Dombrowski einen Bundesligastarter, der auch in diesem Jahr wieder in der Bundesliga am Start ist. 2018 stieg Benedikt Beck bei den RCB-Ausfahrten in Gruppe 3 ein. 2019 fuhr er seine ersten Rennen und in diesem Jahr startete er am vergangenen Samstag zum ersten Mal in der Bundesliga und landete auf einem beeindruckenden 57. Platz! Er fährt für das Team ‚Besenwagen‘ (vom gleichnamigen Podcast) mit RCB-Lizenz. Frederik konnte am Samstag leider nicht starten. Herzlichen Glückwunsch an Benedikt und hier ist sein Bericht!

Benedikt Beck im schwarzen Team Besenwagen Outfit (4. von rechts mit rotem Rad)

Es geht endlich wieder los und das auch noch mit einem Kracher. Mein erstes Rennen nach fast einem Jahr Pause ist auch gleichzeitig mein erstes Bundesligarennen. Der lange Entzug hatte mich dazu getrieben, in das über 500 km entfernte Gippingen in der Schweiz zu fahren. Auf dem Weg frage ich mich schon, ob über zwölf Stunden Fahrt und zwei Übernachtungen gerechtfertigt sind, um vier Stunden Rennen zu fahren. Aber zu dem Zeitpunkt gibt es sowieso schon keinen Weg mehr zurück. Also tuckere ich mit dem geliehenen, ausgebauten Bulli meines Bruders mit entspannten 95 km/h über die Autobahnen Deutschlands und versuche mir auszumalen, was da am nächsten Tag auf mich zukommen würde. „Bitte nicht nach 3 km abgehängt und nach 10 km aus dem Rennen genommen werden“, denke ich mir, „dann wäre die ganze Aktion echt ein Reinfall gewesen.“ Je mehr ich darüber nachdenke, wird mein Ziel immer klarer: sturzfrei durchkommen, Spaß haben – und das so lange wie irgendwie möglich.

Am nächsten Morgen treffe ich meine Kollegen aus dem Team Besenwagen. Es zeigt sich schnell, dass alle die gleichen Gedanken haben wie ich. Durchfahren wäre wohl für jeden von uns ein Riesenerfolg. Außer für Paul Voß: Er wirkt so unaufgeregt, als wäre das ein ganz normaler Tag im Büro. Aber ich glaube, wenn man mal an der Spitze der World Tour war, dann ist ein Bundesligarennen nun mal genau das – ein ganz normaler Tag im Büro.

Startnummern eingesteckt und Transponder montiert, zurück zum Auto und alles fertig machen. Jetzt nur in der Aufregung nichts vergessen! Alles, was man jetzt vergisst, kann einem später im Rennen das Genick brechen. Also Flaschen füllen, Pulver rein, Gels einstecken, Reifen aufpumpen, Bremsen kontrollieren, Brille mitnehmen. Eigentlich wollen wir uns noch eine Runde warm fahren, haben aber das Einschreiben vergessen. Danach ist nicht mehr genug Zeit, also sagen wir uns, dass es genügen muss, wenn wir dreimal die Steigung vor Start/Ziel fahren. Doch als ich nach dem zweiten Mal Richtung Start/Ziel komme, stellen sich die ersten schon zum Start auf. Also belasse es bei zweimal und stelle mich lieber etwas weiter vorne an den Start. Es ist noch eine gute Viertelstunde bis zum Start, die sich wie eine halbe Ewigkeit anfühlt. Gott sei Dank habe ich ein paar nette Jungs um mich herum und wir erzählen und blödeln noch ein wenig, um uns die Zeit zu vertreiben. Ich höre den Sprecher noch sagen: „Die Strecke ist prädestiniert, um ein Ausscheidungsrennen zu werden.“ Wenn man sich das Profil anschaut, wird auch schnell klar, warum: Es gibt eine 500-Meter-Steigung vor Start/Ziel, dann eine kurze Abfahrt und direkt dahinter noch eine 2,2 km lange Steigung. Nach insgesamt 14 Runden und 140 km hat man über 2200 hm gesammelt.

Und plötzlich sind es dann nur noch 30 Sekunden.

Ich höre den Schuss und starte den Garmin. Es ist wie ein Schalter, der im Kopf umgelegt wird. Das Adrenalin schießt in den Körper und plötzlich zählt nur noch das Hier und Jetzt. Ich komme gut weg und rolle mit dem Feld die erst kurze Abfahrt herunter, bevor wir das erste Mal die lange Steigung hoch müssen. Während viele der großen Teams, die weiter hinten gestartet sind, außen überholen, versuche ich möglichst konstant zu fahren und schone schon jetzt meine Beine, so gut es irgendwie geht. Wir fahren über die Kuppe und das erste Mal ist geschafft.

Es hatte kurz vor dem Start noch einmal geregnet und die Straßen sind nass. Das in Kombination mit meiner fehlenden Streckenkenntnis macht mich in der ersten Runde zu einem sehr langsamen Abfahrer. Teilweise schießen die Jungs in den Kurven an mir vorbei, als gäbe es kein Morgen. Ich frage mich, wie das physikalisch überhaupt möglich ist. Als ich dann aber den ersten sehe, der sich gerade wieder aufrappelt und versucht, die Einzelteile seines Rads von Straße zu sammeln, ist mir klar, dass die anderen genauso wenig Ahnung haben, wo hier die physikalischen Grenzen sind wie ich.

Benedikt ganz links im Anstieg

Im Flachen heißt es dann Kräfte sparen und Positionen gutmachen. Je weiter vorne ich wieder in den Anstieg fahre, desto mehr Zeit kann ich verlieren, ohne oben den Anschluss ans Feld zu verlieren. Das versucht aber natürlich jeder. Dementsprechend aggressiv wird im Feld gefahren. Ich schaffe es Gott sei Dank in der zweiten Runde, ein Gel zu essen und trinke fleißig, aber muss schon jetzt damit kämpfen, auch alles bei mir zu behalten. Nach den ersten drei Runden bin ich an meinem Limit angekommen. Ich schaffe es noch, mit dem Feld den Anstieg hoch zu kommen, aber ich weiß: „Noch einmal in dem Tempo schaffst du das nicht hier hoch.“ Ich kann aber nicht mehr tun, als weiter zu fahren und zu hoffen. Das vierte Mal ist dann tatsächlich etwas ruhiger, die anderen scheinen wohl auch nur Menschen zu sein.

Doch schon in der nächsten Runde geht es wieder los: Der fünfte Anstieg wird der schnellste und bringt mich an mein absolutes Limit. Die Zahlen, die ich fahre, wären alleine betrachtet für mich schon eine gute Leistung – ganz zu schweigen davon, dass wir zu dem Zeitpunkt schon eine Stunde unterwegs sind. Ich stelle meinen neuen Maximalpuls auf und schaffe es nur gerade so, mit den letzten des Hauptfeldes über die Kuppe zu kommen. Ich bin völlig am Ende und bin mir fast sicher, den nächsten Anstieg nicht mehr zu schaffen.

Aber wie durch ein Wunder wird das Rennen plötzlich ruhiger. Die nächsten paar Runden sind zwar nicht langsam, aber ich kann zumindest mal durchatmen. Ich versuche, so viel zu essen und zu trinken, wie es geht, aber irgendwann ist der Körper nun mal leer. Das merke ich mittlerweile mit jeder weiteren Runde. Die elfte Runde soll dann die Entscheidung bringen. Irgendjemand hat wohl entschieden, dass jetzt Schluss ist mit lustig und prügelt noch mal mit vollem Tempo die beiden Anstiege hoch.

Während ich im Feld immer weiter nach hinten falle, können dem Führenden nur 25 Fahrer folgen. Ich bin mittlerweile am Ende des Feldes angekommen und es kommen noch die letzten 400 Meter des Anstiegs, die noch mal steiler sind als der Rest. Meine Beine krampfen und zittern gleichzeitig. Ich schreie vor Schmerzen. Aber es sind nur diese paar Hundert Meter, die ich noch fahren muss! Dann kann ich erstmal wieder entspannen und hoffen, dass es wieder langsamer wird. Irgendwie rette ich mich bis nach oben.

Ich kann mich kaum auf dem Rad halten und als ich beim Beschleunigen im kurzen flachen Teil auf meinen Garmin gucke, kann ich es fast nicht glauben: Es fühlt sich an, als würde ich sprinten mit allem was ich habe – und trotzdem bringe ich gerade mal 250 Watt in die Pedale. Mein Körper muss wirklich komplett am Ende sein. Ich habe den Anschluss ans Feld verloren, aber ich bin Gott sei Dank nicht alleine. Wir sind zu viert. Ich fahre mittlerweile die Abfahrten auch runter, als gäbe es kein Morgen mehr und so sind wir dann zu viert ein wenig schneller als das Feld.

Wir rotieren durch und einer der Jungs scheint noch etwas Power übrig zu haben, er fährt den größten Teil vorne. So schaffen wir es tatsächlich durch eine Autokolonne und den Ziehharmonika-Effekt des Feldes, im technischen Teil der Strecke wieder Anschluss zu finden. Das hat sicher auch damit zu tun, dass vorne nun 25 Fahrer weg sind. Alle im Feld wissen, dass sie mit dem Sieg nichts mehr zu tun haben werden. Das Tempo wird daher wieder deutlich ruhiger. Wenn ich in die Gesichter der anderen schaue, merke ich, dass ich bei weitem nicht der einzige bin, der sich darüber freut. So fahren wir noch die letzten drei Runden und es wird immer sicherer, dass ich mein großes Ziel erreichen werde. Ich werde das Rennen im Hauptfeld zu Ende fahren. Mit dieser Gewissheit fahre ich den letzten Sprint gar nicht mehr richtig mit. Mein ganzer Körper schreit mich seit einer Ewigkeit an, ich soll bitte endlich aufhören und nun finde ich auch: Es ist genug.

Benedikt im letzten Jahr im gewohnten Outfit 😉

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken