Fritzdorfer Windmühle

Von Angelique Kurkistaa-Kivi

Einrollen am Rhein, zwei Steigungen, schöne Abfahrten, 56 km, 520 Höhenmeter steht in der Streckenbeschreibung im RCB-Archiv. Was heißt das schon, denn so verlaufen doch viele der Touren beim RCB. „Einrollen, das kann viel bedeuten!“ sagt A., meine beste Freundin, die mich heute zu der Tour beim RCB mitgebracht hat. „Wenn die Gruppe groß ist, gibt es schon nach den ersten 200 Metern auf der Rheinbrücke eine lange Kette und du musst aufpassen, dass du nicht den Anschluss verlierst“. Na ja, das kann heiter werden. Also am besten nicht ganz hinten fahren, sondern ziemlich weit vorne. Der Guide scheint ja auch ein ganz Netter zu sein, und noch so jung!

„Sie fahren wieder durch die kleinen und engen Straßen in Plittersdorf, da musst du aufpassen. Und dann schau mal in Godesberg, das sind echt fantastische Villen da“, sagt A., aber ich kann sie kaum hören, ich muss hier wirklich aufpassen beim Fahren. Und jetzt sind wir direkt im Zentrum von Bad Godesberg, eine Ampel, noch eine Ampel, langsam fahren, noch eine Ampel, nur rechtzeitig aus dem Pedal kommen!

Da vorne geht’s rechts ab, scheint eine Seitenstraße zu sein – o Gott, die ist ja richtig steil! „Schalte zurück!“, ruft A., dann höre ich sie noch über ihre eigene Schaltung fluchen, die gerade ziemlich gekracht hat. Das Geplauder in der Gruppe hört schlagartig auf. Der Guide mahnt zum gleichmäßigen Fahren, und das ist hier auch echt nötig, scheint ja überhaupt nicht aufzuhören! Schweinheim heißt das hier, passt irgendwie.

Endlich Wald, endlich flacher! Ein Parkplatz, wir werden langsamer, bleiben stehen, denn die Gruppe hat sich ziemlich in die Länge gezogen. Ein wenig stolz bin ich aber, die ganze Zeit konnte ich vorne bleiben. Und da kommt auch A., mit hochrotem Kopf. „Diese Scheiß-Schaltung!“, schimpft sie, „Jochen hat sie mir doch richtig eingestellt, sagt er – aber das war wohl nichts!“

Alle, oder zumindest die meisten, scheinen wieder zu Atem gekommen zu sein. Wir fahren langsam los, und tatsächlich, die Unruhe vom Anfang ist weg. Wir genießen die gute Luft, es wird wieder geplaudert, das lockere Dahinrollen macht jetzt wirklich Spaß. Das ist wohl dieser Kottenforst, von dem alle immer erzählen. Oder heißt der „Crossenforst“? Alles biegt nach links ab, einige Spaziergänger und Radfahrer scheint es hier auch zu geben. Villiprott erklärt A., die jetzt neben mir fährt. Nettes Dörfchen. Als wir aus dem Ort herauskommen, zeigt der Guide auf einen Wald auf der anderen Seite des Tals. „Da müssen wir gleich hoch“, höre ich ihn rufen – und dann sehe ich dort auch eine Straße. Aha, ist das jetzt die zweite Steigung?

Erstmal geht es ein Stück runter. Das Schloß hier sieht interessant aus. Das Tor ist geöffnet und ich kann ganz kurz im Vorbeifahren den Innenhof sehen. Burg Gudenau sagt A., „da kann man seit einiger Zeit auch reingehen und sich alles anschauen“. Das ist doch ein Plan für eine gemütliche Tour für demnächst.

Ok, jetzt kommt die Steigung. „Freie Fahrt, aber oben auf die anderen warten!“, ruft der Guide, und als diese Jungs von hinten an mir vorbeischießen, weiß ich, was gemeint ist. Tief gebeugt über dem Unterlenker liefern die sich doch tatsächlich einen Sprint! Na ja, sind auch knackige Typen. Wir dagegen fahren unser gleichmäßiges Tempo, orientieren uns am Guide. A. ist neben mir – und so geht es doch auch, schon sind wir oben, wiederum nicht an letzter Stelle der Gruppe. Die Jungs sind schon längst oben, fühlen sich wohl sehr cool, jetzt kommen sie uns auch noch entgegen, versuchen, nicht angestrengt auszusehen.

„Zweierreihe!“, höre ich von vorne – und schon rollen wir wieder, das wird ja richtig schnell! Schön im Windschatten bleiben, die Linie halten, super! Ein paar Häuser, Arzdorf lese ich noch kurz auf dem Ortsschild, gehört wohl alles zu Wachtberg. Freies Feld, wieder läuft es gut, jetzt Betonpflaster. „Hier ist Fritzdorf„, ruft der Guide, „bald kommt die nächste Steigung zur Mühle!“ Wir fahren links, wir fahren rechts, und da kommt sie auch schon. Wieder schön gleichmäßig fahren, die Gruppe scheint zusammenzubleiben. Links und rechts blühende Obstbäume, weiter hinten und ein Stück weg viel Wald, davor ein tiefes Tal. „Von hier aus ist es nicht mehr weit ins Ahrtal, und von da aus könnten wir auch mal zur Hohen Acht fahren“, sagt A., die mit ihrem Jochen hier schon öfter unterwegs war.

„Gleich sind wir oben, und da seht ihr auch den Namensgeber unserer Tour: die Fritzdorfer Windmühle„, ruft der Guide. Wir bleiben stehen, ein bisschen stolz, dass wir auch diese Steigung so gut hochgekommen sind. Einer fragt jetzt nach „Biopause“ und ich sehe schnell, was damit gemeint ist, denn die Jungs stehen bereits hinten am Gebüsch. Und endlich auch mal Zeit, dass ich meinen Riegel esse. Beim Umschauen sehe ich ein Schild mit interessanten Fotos und Landkarten: Krönungsstraße. Das war hier im Mittelalter so eine Art Autobahn für den ganzen Handelsverkehr. Ich lese, dass die Kaiser hier nach der Krönung in Frankfurt auf dem Weg nach Aachen durchkamen. Und heute ist es nur noch ein einfacher, einsamer Weg.

Dann den Berg runter – hier ist jetzt ist alles ganz neu: Werkshallen, darunter ein riesiger Block, ziemlich klobig in der schönen Landschaft. Ein großer Schriftzug: „Haribo“, offensichtlich die neue Produktion, nachdem sie aus Bonn weggegangen sind. Da sollte jetzt nicht mehr „Hans Riegel Bonn“ sondern Harigra heißen – „Hans Riegel Grafschaft“. Und links eine weitere Halle: „H&S Bike-Discount“. Also von hier kommen die Sachen, die ich bei denen bestelle!

Jetzt unter der Autobahn durch, ein paar Orte, ein paar Abzweigungen, ich kann nicht recht erkennen, wie das hier alles heißt. Die starken Jungs sind nach vorne gegangen, der Guide fährt in der zweiten Reihe. Immer schön dranbleiben, ich muss mich kaum anstrengen. Das ist wohl dieser Flow, von dem die Radfahrer immer reden. Ich schaue rüber zu A., denke an Dies und Das – und jetzt noch mal Tempo und wir scheinen ewig lange herunterzufahren!

Eine Kreuzung, Stopp. „So,“ warnt der Guide, „nach einer schönen Abfahrt kommt auch meistens ein schöner Anstieg.“ „Der Guide ist heute mal wieder ziemlich sarkastisch mit seinen Bemerkungen!“, sagt A. kurze Zeit später, als ich nun doch etwas hechelnd im Anstieg kämpfe. „Hier in Kirchdaun sind das stellenweise 7% Steigung, ich habe in Komoot nachgesehen. Aber oben wird’s besser, wenn wir an die Straußenfarm kommen.“

Straußenfarm? Klingt interessant! Und tätsächlich sehe ich weit hinten einige dieser Riesenvögel stehen. Ein Frühstücksei von einem Vogel Strauß zu essen, das würde für die ganze Familie reichen.

„Die längsten Steigungen haben wir jetzt alle hinter uns. Nun kommen nur noch ein paar kleinere Wellen“, ruft der Guide den Leuten zu, die jetzt nach und nach den Berg hinaufkommen. „Du mit deinen Wellen, die Sprüche kennen wir doch!“, schimpft der letzte in der Gruppe. Aber die Stimmung in der Gruppe ist gut. Und die schönen Jungs stehen schon wieder betont locker herum, für sie scheint das alles easy zu sein. Gut, dass sie uns jetzt wieder von vorne den Windschatten geben.

Ein Stück durch einen Wald: Wenn das hier die erwähnten Wellen sind, kann es ruhig so weitergehen. Birresdorf, Abzweigung nach rechts, na ja, das hier ist für mich aber eine richtige Steigung! Dauert aber nicht lange. „Der höchste Punkt auf unserer Tour und ab hier sind wir wieder in Nordrhein-Westfalen“, erklärt uns der Guide. Weiter Blick über die Landschaft – und da drüben sehe ich das Siebengebirge mit dem Petersberg.

Wir sind nun alle glücklich: Es geht nur noch runter und es rollt richtig gut. Eine Ampel, eine Hauptstraße, dann eine Landstraße über eine Art Hochebene. Unsere Lokomotiven vorne lassen sich nicht lumpen und ziehen die ganze Gruppe – schön für uns. Wenn wir nachher noch im Biergarten vorbeischauen, könnten wir ihnen dafür ja ein Bier ausgeben, wer weiß. Nun aber nochmal konzentrieren, denn der Guide ruft „Einerreihe und Abstand!“ Es wird schnell und wir brettern mit 45 km/h den Berg hinunter. Eine kurze „Welle“, Linkskurve, scharf rechts und dann stehen wir alle an einer roten Ampel. Bonn!

Auch so kann es am Rheinufer manchmal aussehen. Januar 2018

Mit der frischen Luft scheint es vorbei zu sein, auch gibt’s viele Autos hier. „Das dauert aber nicht lange, und dann sind wir am Rhein“, sagt A. Ich sehe auch schon die Straße zur Fähre. Nun wird es wirklich locker. Die einzige Herausforderung auf dem Weg am Rhein sind die vielen anderen Radfahrer und die Fußgänger. „Geeegen!“, höre ich immer von vorne, also Gegenverkehr und Aufpassen, und auch keine Zweierreihe. Dabei wäre es doch schön, wenn ich mit dem Jungen da vorne ein wenig plaudern könnte. Aber es kommt ja noch der Biergarten.

Der Rheinauenpark, hier kenne ich mich wieder aus, die Brücke zurück zum Startpunkt. Wir bleiben kurz stehen, einige verabschieden sich. „Wer kommt noch mit zum Blauen Affen?“, fragt der Guide. A. und ich sind natürlich dabei, das haben wir uns verdient. Und die Jungs kommen auch mit, sehr gut!

Ach ja, und dann noch die Sache mit den angeblich zwei Steigungen. Ich habe sechs gezählt…

Anmerkung des Redakteurs: Die Geschichte bezieht sich auf eine Tour, die vor langer Zeit gefahren wurde, damals, im Jahr 2019. Also vor der Pandemie, als wir noch in Gruppen gefahren sind. Ihr könnt die Strecke natürlich auch mal alleine oder zu zweit fahren, hier ist der Link zu Komoot: https://www.komoot.de/tour/163033398?ref=wtd

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