„La 21ème Charly Gaul“ oder ein wenig Atmosphäre von Giro d’Italia

„La Charly Gaul“ ist ein Jedermann-Rennen des ACC Contern, welches zu Ehren des zweifachen, luxemburgischen Giro d’Italia-Siegers (1956, 1959) und den Tour de France Sieger von 1958 Charly Gaul veranstaltet wird. In den Siegerlisten der beiden Strecken stehen die Namen der prominenten Fahrer Bjarne Riis und Kim Kirchen, die in ihrer Zeit als Rad-Amateure für den ACC Contern starteten. Seit 2008 ist am ersten Wochenende im September der Start- und Zielbereich dieses Rennens in Echternach an der Deutsch-Luxemburgischen Grenze.

Dieses Jahr war die kürzere Strecke B mit 95 km und 7 Anstiegen durch die „Luxemburger Schweiz“ (offiziell 1.203 Höhenmeter) ausgeschrieben. Vielen Teilnehmern aus den Vorjahren waren die Anstiege 3 bis 6 bekannt, so dass man sich sicher sein konnte, dass es kein leichtes Rennen sein werden würde.

Während etwa 353 Teilnehmer der längeren 160 km Strecke um 9 Uhr starteten, konnte ich mich noch bis 10.20 Uhr „ausruhen“. Mit Josef, den ich vor zwei Jahren, bei diesem Rennen kennengelernt hatte, hatte ich mich im Vorfeld des Rennens verabredet. Obwohl er 20 Jahre älter ist, haben er und sein Kumpel Michael, der ebenfalls wieder am Start war, in etwa das gleiche Leistungsvermögen. So hoffte ich, dass wir uns während des Rennens gegenseitig unterstützen könnten, um eine gute Platzierung erzielen zu können.

Bei 597 eingeschriebenen Teilnehmern verliert man sehr schnell den Überblick. Aber an diesem Tag hatte Josef wieder sein magentafarbenes Radtrikot eines ehemaligen Bonner Profi-Radteams angezogen, so dass man ihn leicht im „Peleton“ erkennen konnte. Ein „kleines Schmankerl“, ein Giant-Prototyp aus dem Jahr 2006, welches unter anderem ein gewisser Jan U. bei der Tour de France 2006 hätte fahren sollen, hatte er aufgrund des schönen Wetters mit nach Luxemburg gebracht.

Josef mit Giant-Prototyp
Da es keine Aufteilung in Startblöcke gab, hatten wir uns frühzeitig zum Startbereich am Echternacher Markt begeben. Bis dahin wusste ich nicht, dass der zweifache Giro d’Italia-Sieger Gilberto Simoni (2001, 2003) und der dreifache, dänische Tour-Etappensieger und ehemalige Sportliche Leiter von „Saxobank“ Kim Andersen (demnächst Leiter des neuen luxemburgischen Profi-Radteams mit den Schleck-Brüdern) an den Start gehen würden.

Gilberto Simoni im InterviewKim Andersen (links) und Gilberto Simoni (rechts)
Das Rennen schien gelaufen, bevor ich überhautpt den Tacho gestartet hatte. Aber mir war schon im Vorfeld klar, dass der Sieg dieses Rennens nur über den ehemaligen, holländischen Radprofi Peter Schroen gehen würde, der dieses Rennen bereits zweimal gewonnen hatte und in der Regel immer ein Kandidat für eine Top3-Platzierung sein würde.

Um 10.22 Uhr wurde das Rennen mit einem zunächst neutralisierten Start im langsamen Tempo begonnen, so dass auch der 597ste Teilnehmer, der irgendwo auf dem kleinen Marktplatz in Echternach noch einen Platz ergattern konnte, den Anschluss zum Hauptfeld finden würde. Aber dennoch fingen schon die Positionskämpfe an, weil wohl mal jeder am Hinterrad von Gilberto Simoni „lutschen“ wollte.

Meine Taktik war nur möglichst lange im Spitzenfeld mitzufahren, um am Ende, wenn es flach am Grenzfluss „Sauer“ entlang geht, den Zielbereich mit einer Gruppe zu erreichen. An den ersten beiden Anstiegen war das Tempo noch moderat. Und obwohl ich mich wegen der erhöhten Sturzgefahr im Feld lieber am Ende aufhielt, war ich doch mal etwas schneller als Gilberto Simoni unterwegs, der auf einmal an mir vorbeifuhr.

So ergab sich mir die Gelegenheit seinen schwarzen Wilier-Carbonrahmen mit rosafarbenen Sonderausstattungen am Sattel und der Sattelstütze zu begutachten. Während mein Puls jenseits von 160 bewegte, nahm Gilberto Simoni das Rennen wohl relativ locker. Er hatte keinen Transponder dabei und als „Zusatzgewicht“ eine Windjacke in die Trikottasche eingepackt.

Am dritten und steilsten Anstieg konnte ich im Gedränge den Anschluss zur Spitzengruppe nicht halten, so dass ich Simoni und die beste Teilnehmerin des Feldes ziehen lassen musste. Kurioser Weise war im Anstieg neben mir ein Teilnehmer aus dem Pedal gerutscht und gestürzt. In den anschließenden Abfahrten und darauffolgendem zwei Anstiegen war es mir nicht gelungen, ein größeres Feld von Fahrern einzuholen. Stattdessen hatte ich am Ende der 5. Steigung Kim Andersen und seine Begleiter am Hinterrad.

Kaum einen Kilometer mit ihm unterwegs und schon hatte ich meine erste Belehrung im Fahren kassiert, weil ich es wagte im welligen Terrain zu beschleunigen. Kim Andersen hatte ein persönliches Interesse in einer Gruppe zu fahren. Nur die anderen hatten es irgendwie auch nicht wirklich begriffen, wie man die Straße im Windschatten ausnutzt oder Führungsarbeit leistet.

An der nächsten Welle hatte ich die Gruppe dann doch abgehängt. Aber wie es halt so ist, sind ehemalige Radprofis, die mit einem Carbon-Rahmen und Zipp-Laufrädern unterwegs waren, auf den Abfahrten waghalsiger und schneller. Am vorletzten Anstieg musste ich dann der Gruppe einen Vorsprung geben, weil ich in einer 90°-Kehre und anschließendem Einstieg ins Steilstück den „Andy Schleck machen“ musste (Kette heruntergeflogen). Aber nach einigen Minuten hatte ich schon wieder den Anschluss gefunden und hatte die Gruppe bis zum letzten Anstieg begleitet.

Weil Kim Andersen anscheinend Krämpfe bekommen hatte, die anderen Mitfahrer nicht warten wollten und mir ehrlich gesagt das Tempo zu gemütlich war, trat ich im Anstieg nochmals an und konnte alle bis auf einen distanzieren. Wir wurden zwar an der „Sauer“ von 5 weiteren Fahrern eingeholt, konnten aber dann bis Echternach einen „Zug“ aufbauen.

Begleitet von einem Motorradfahrer des Veranstalters, hatte ich bis Echternach viel Führungsarbeit geleistet, so dass ich ich 500 m vorm Ziel nur noch den Sprint angeziehen konnte. Die Platzierung war mir weniger wichtig, da das Rennen hinter einer spitzen Kehre auf dem Pflaster des Echternacher Markes endete und ich deswegen nicht noch stürzen wollte.

So sehen Sieger aus ..."Duell" um den 80. Platz in der GesamtwertungNach dem Rennen ...
Mit etwa 12:30 Minuten Rückstand auf den Sieger, Peter Schroen, wurde ich im Gesamtklassement als 81. gewertet. Gilberto Simoni, der nicht gewertet wurde, stand bei meiner Ankunft noch erholt im Zielbereich. Kim Andersen sollte später als 113. mit 3:44 Minuten Rückstand auf mich eintreffen. Hätte ich mich zwischen dem 3. und 5. Anstieg doch noch etwas mehr gequält, dann wäre ich im großen Hauptfeld um die Plätze 44 bis 71 mitgefahren. Aber mit einer Platzierung unter den Top100, was mir bei diesem Rennen zum ersten Mal gelungen ist, war ich schon zufrieden.

Und fünftbester Deutscher auf dieser Strecke gewesen zu sein, klingt auch ganz gut. Der beste Deutsche, ein Kölner, erreichte das Ziel als 14. der Gesamtwertung. Josef und seinen Kumpel Michael trafen etwa eine Viertelstunde später im Ziel ein. So ein Rennen durch das Trainingsgebiet des „Engel(s) der Berge“ (Charly Gaul hatte 2 Mal die Bergwertung beim „Giro“ (1956 und 1959) und einmal bei der „Tour“ (1956) gewonnen) kann ganz schön anstrengend sein.

Aber bei so viel Carbon im Feld wäre ich wohl in einer Extrawertung für Alu-Renner noch unter den Top10 gelandet. Und da meine Laufräder schon soweit verschlissen sind, dass sich das zentrieren nicht mehr lohnt, weiß ich ja, was ich noch verbessern könnte. Aber so habe ich ja noch Potential fürs nächste Jahr!

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